Das Ziel war erreicht

19. Februar 2010 at 14:07

Ist es möglich, Anhand von Statisken, die derzeitige Talfahrt des deutschen Meisters zu erklären? Ein etwas anderer Versuch die Misere des VfL’s zu erläutern.

Nur sechs Siege können wir am 22. Spieltag verbuchen, neun Niederlagen stehen daneben auf unserem Konto. Wenn ich mal in die Statistik sehe, und ich habe mir die Mühe gemacht, waren wir die vergangenen vier Saisons besser. Zwölf Spiele in Serie nicht gewonnen, auch unter Lorenz-Günther Köstner nicht, davon acht Niederlagen, Absturz ins Mittelmaß der Bundesliga. Außerdem schlug der Ball schon vierundvierzig Mal bei uns ein, so zerlöchert ging der VfL lange nicht in einen 23. Spieltag. Keine Frage, die Wölfe stecken in einer schweren Krise, die jedem von uns ins Herz sticht.

Aber wo soll man anfangen, diese miserable Serie zu erklären? Sind die Spieler nicht fit? Die letzten zwölf Pflichtspiele scheinen dazu eine eindeutige Sprache zu sprechen: neunzehn Gegentore fielen in den zweiten Halbzeiten, nur zehn in den ersten. Die Fitness fehlt also! Aber halt. In den zweiten Halbzeiten dieser zwölf Spiele erzielten Dzeko und Co. doppelt so viele Tore wie in den ersten Halbzeiten, sechs Erste-Hälfte-Tore zu elf Zweite-Hälfte-Toren! Wenn zu den selbst erzielten Toren in der zweiten Halbzeit Fitness gehört – dann steckt davon ausreichend in den Beinen unserer Kicker! Aber vielleicht liegt es gar nicht an der Fitness, sondern an der ebenso wichtigen Einstellung von Misimovic und Kollegen, an ihrer Motivation, ihrem unerschütterlichen Siegeswillen, ihrer Konzentration und vollen Hingabe. Fragen wir zuerst die Statistik – aber das ist ja hinfällig. Wer will so etwas messen können? Wie sollen Zahlen so etwas erfassen? Vielleicht geben die gelben Karten Aufschluss, denn sie sind oft ein Indiz für die Emotionen der Spieler, etwa für ihre zu starke Motivation, für ihre Hingabe, aber auch für ihren Frust oder ihre Überheblichkeit. In der herrlichen Meistersaison unter Magath waren es für die vergleichbaren zwölf Pflichtspiele vor dem 23. Spieltag sechzehn, sechs in den ersten und zehn in den zweiten Halbzeiten. Und da stehen aus diesen letzten unglücklichen zwölf Pflichtspielen insgesamt zweiundzwanzig gelbe Karten gegen den VfL zu Buche, davon fünf in den ersten und siebzehn in den zweiten Halbzeiten. Auffällig sind diese siebzehn gelben Karten dieser Saison aus den zweiten Hälften – warum kassiert die Elf in den zweiten 45 Minuten auf einmal fast doppelt so viele gelbe Karten wie in der Vorsaison? Woran fehlt es der Mannschaft denn? Vielleicht an Disziplin? Oder können sie mit den vierundvierzig Gegentoren zusammenhängen, können die gelben Karten die vielen Situationen markieren, in denen unsere Kicker sich nicht anders zu helfen wissen als mit einer Regelwidrigkeit? Ratlosigkeit herrscht, auch hier bei uns neben dem Platz. Und die Statistik schweigt sich aus.

Versuchen wir daher einen anderen Weg und versetzen uns noch mal in den Sommer 2009, als die Meistersaison uns zu so heller Freude begeisterte und wir euphorisiert die grünen Fahnen schwenkten. Damals ließen die Verantwortlichen keinen Zweifel daran, dass die Meistermannschaft zusammengehalten werden müsse. Und sie ließen zur großen Befriedigung aller Fans die Verträge verlängern, die Gehälter anpassen und – die Mannschaft beisammen. Vielleicht aber war das der Fehler. Vielleicht hätte man Magaths Satz: „Das Ziel ist erreicht“, als eine Warnung verstehen müssen. Vielleicht sprach Magath, der Meistertrainer, eine Wahrheit aus, die so lauten könnte: das Ziel, das diese Mannschaft erreichen kann, ist erreicht worden. Diese Mannschaft hat erreicht, wozu sie geformt wurde. Ihr Gesicht ist das eines deutschen Meisters 2009, aber danach…Nun, nach der Meistersaison hat ihr Gesicht sich nicht verändert, die Leistungsträger vergangener Tage können heute friedlich ihre Startelf-Einsätze sammeln und Serien fabrizieren.

Dabei hatten sich unter Magath die Namen der Leistungsträger noch rasant verändert. Zur Saison 2007/08 rückte nur noch Alexander Madlung in die Mannschaftsaufstellungen von Magath und konnte weiterhin eine tragende Rolle im Wolfsburger Spiel einnehmen. Dann kam die Phase der Stabilität. Neun Leistungsträger der Saison 2007/08 bestätigten nämlich ihren Status für die Saison 2008/09, nur Misimovic und Barzagli kamen neu hinzu, allerdings schlug vor allem unser Mittelfeldmann ein wie eine Granate. Und nach dem Titel – blieb es dann dabei. Die Mannschaft spielt, und spielt, und spielt. Bis wann noch? Riskieren sogar Spieler wie Gentner, Schäfer oder Riether ihren WM-Einsatz durch die aktuelle Talfahrt?

Im Nachhinein ist jeder schlauer. Tabellenplatz zwölf bedeutet auch heute das Mittelmaß, aus dem Magath unseren VfL damals geholt hat. Jetzt wollen wir alle wieder zurück an die Spitze. Alle? Die nächsten zwölf Spiele in der Bundesliga werden zeigen, wer dabei bleiben wird und wer letztendlich doch die Meisterelf verlässt. Denn schneidet der VfL am Saisonende schlecht ab, muss der Schnitt doch gemacht werden, vielleicht eine ganze deprimierende Saison zu spät. Eins dürfen wir dabei aber nicht vergessen: einen krassen Einschnitt gab es im Meistersommer bei den Wölfen schon, allerdings nicht in der Mannschaft – Magath ging. Einige Spieler werden nun wohl folgen. Denn wenn die 34 Spieltage vorbei sind und wir uns auf die WM freuen können, werden die Zahlen wieder sprechen. Wie viele Siege? Wie viele Niederlagen? Wie viele Gegentore? Aber dass die Zahlen uns die wahren Gründe für diese zwölf niederschmetternden Spiele, dann vielleicht dreizehn, vierzehn niederschmetternden Spiele geben, ist sehr unwahrscheinlich.

Nichtsdestotrotz, das Spiel gegen Villarreal gestern gibt uns wieder Hoffnung und nun erwarten wir eine Bestätigung der Leistung im Spiel gegen Schalke am Sonntag.

Sebastian Mehl